„Wache auf! - Karte bitte wandern lassen.“

Veröffentlicht am 21.07.2018 in Bezirk

Gedenkstele auf dem Weddinger Rathausvorplatz mit einem Schriftzug, der auf einer Postkarte zu lesen war.

Elise und Otto Hampel allein im Wedding

Sie kämpften gegen die Nazis, bewaffnet mit Postkarten. Nun werden Elise und Otto Hampel geehrt.

Berlin-Wedding, Amsterdamer Straße 10. Das Wohnhaus der Hampels steht schon lange nicht mehr. An dem Nachkriegsbau, mit dem Lücke gefüllt wurde, erinnert eine offizielle Gedenktafel an sie. Eine Erinnerung an zwei mutige Menschen und ihren Widerstand gegen den Faschismus. 

Hans Fallada hat in seinem 1949 erschienen Roman „Jeder stirbt für sich allein“ über die Geschichte des Arbeiter-Ehepaars aus dem Wedding geschrieben. Eindrücklich skizziert er darin den Alltag in einem Mietshaus während der Herrschaft des NS-Regimes. Hier lebt ein Querschnitt der Bevölkerung des Jahres 1940 – unschuldige Mitläufer? Ein fanatischer Blockwart, ein pensionierter Richter mit Zivilcourage, der sich ins innere Exil zurückgezogen hat, ein Hitlerjunge und ein Denunziant, der die Wohnung jener Jüdin plündert, deren Mann deportiert wurde. In diesem Haus leben Elise und Otto Hampel, die mit Postkarten einen Kampf gegen die Barbarei der Nazis führen – und letztlich dafür mit dem Leben bezahlen werden.

Foto: 1942 nach der VerhaftungÜber einen Zeitraum von zwei Jahren verteilen sie 200 Postkarten heimlich auf den Treppenabsätzen und Hausfluren der Wohnhäuser in ihrem Kiez, aber auch in Charlottenburg, Schöneberg und Kreuzberg. In Zeiten, als schon das Hören nichtdeutscher Radiosender mit Zuchthaus bestraft werden konnte, zielten beide auf die Weitergabe der Postkarten unter den Nachbarn der Wohnhäuser ab. Doch: Nahezu alle Postkarten werden bei der Polizei und der Geheimen Staatspolizei abgegeben. So auch ihre letzte, die die Hampels am 27. September 1942 in der Eisenacher Straße 122 unweit des Nollendorfplatzes ausgelegt haben. Dabei werden sie von einer Anwohnerin beobachtet. Die hält das Ehepaar fest und zeigt die beiden bei der Schutzpolizei an. Nach dem Verrat werden sie im Oktober 1942 verhaftet, nur drei Monate später vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt. Das Todesurteil zerstört nicht nur das Leben von Elise und Otto Hampel, sondern auch deren gemeinsame Ehe. Am 8. April 1943 werden beide in Plötzensee hingerichtet. – Ein halbes Jahr nach der Hinrichtung trifft eine alliierte Fliegerbombe das Haus in der Amsterdamer Straße 10.

Die Courage für den Widerstand haben die Stadtteilvertretung mensch.müller, der Weddinger Heimatverein, die AG Geschichte der Bezirksverordnetenversammlung von Mitte und unsere örtliche SPD-Abteilung 16 (Grünes Dreieck) zum Anlass genommen, sich für die Ehrung der Eheleute Hampel einzusetzen. Das Bezirksamt hat im Frühjahr dieses Jahres nach jahrelangem Streit um die Umbenennung – nahezu unbemerkt – den Abschnitt der Limburger Straße zwischen Genter Straße und Müllerstraße, der am Rathaus Wedding vorbeiführt, in Elise-und-Otto-Hampel-Weg umbenannt. Heute, am 21. Juli 2018, dem 125. Geburtstag von Hans Fallada, wurde offiziell eine Informationsstele eingeweiht, die dem Ehepaar Elise und Otto Hermann Hampel und ihrem Kampf gegen das Nazi-Regime gewidmet ist.

 

mathias schulz